Yashica Mat 124G in 2024

Entschleunigen mit der Yashica Mat 124G

Manchmal hat man das Gefühl, dass alles irgendwie ein bisschen zu schnell geht. Egal ob privat, im Job oder eben auch auf dem Kameramarkt. Gefühlt kommt jeden Monat eine neue Kamera raus, die mal wieder irgendwas ein ganz kleines bisschen besser macht als der Vorgänger. Folgt man den Diskussionen um solche Releases, dann scheint es oft, als bräuchte man immer das neueste Modell, um überhaupt richtige Fotos schießen zu können. Megapixel, Autofokus, Motiverkennung, KI-gestützte Bildbearbeitung. Irgendwo kommt immer das neue große Ding. Da hab ich aktuell einfach keine Lust und keine Kraft mehr für. Also schaue ich lieber in die andere Richtung. In eine Zeit, in der es all diese Hilfsmittel noch nicht gab und die einzige Hilfe beim Fotografieren das Auge und ein Belichtungsmesser waren.

Erste Schritte

Von den analogen Geräten haben mich die TLR Kameras immer am meisten fasziniert. TLR Steht dabei für Twin Lens Reflex. Wer so eine Kamera sieht, weiß sofort, woher der Name stammt, nämlich von den zwei Linsen auf der Vorderseite. Eine für den Sucher, die andere für die Aufnahmen. Der Sucher ist bei diesem Kameras wirklich riesig und es macht einfach Spaß, dadurch ein motiv zu finden. Ich hatte schon seit langem eine Voigtländer Brillant im Regal stehen, einfach nur als Deko. Neugierig habe ich also mal ausprobiert, ob das alte Museumsstück überhaupt noch funktioniert. Gebaut wurde die nämlich von 1938 bis 1948. Also alles aufgeschraubt, gesäubert, zusammengeschraubt und einen Film gekauft.

Voigtländer Brillant S

Um die Nostalgie perfekt zu machen, habe ich mich für einen Schwarzweißfilm entschieden. Der Film ist hier aber auch deutlich größer, als die meisten evtl. aus Ihren frühen kleinen Kameras gewöhnt sind. Es sind also nicht diese kleinen Patronen, auf die dann 36 Bilder passen. Diese Mittelformat Kameras nehmen Rollfilme, die dann ein Negativformat von 6 x 6 cm haben. Um genau zu sein 5,6 x 5,6 cm, und auf einen Film passen dann auch nur 12 Fotos.

Also, Film in die Kamera und einfach mal ausprobieren. Das Einstellen von Blende und Belichtungszeit geschieht alles am Objektiv vorne und ging noch relativ einfach. Trotz Reinigung funktionierten die eingestellten Zeiten nur nicht perfekt. Unter 1/50 hat sich die Blende manchmal verklemmt, sodass die Fotos natürlich nichts geworden sind. Von den 12 Fotos, habe ich 8 Entwickelt bekommen und die waren leider auch alle eher unscharf. Oder ich habe mal vergessen den Film weiter zu spulen und so eine ungewollte Doppelbelichtung fabriziert.

Good Girl: Lotta
Unscharfes Foto mit Voigtländer Brillant S
Ungewollte Doppelbelichtung

So ganz das richtige war die Kamera noch nicht, aber sie funktionierte immerhin noch. Das war ein erstes Erfolgserlebnis. Ich habe dann noch ein bisschen weiter geschaut und bin schließlich bei der Yashica Mat 124 G gelandet. Auch eine Mittelformat 6×6 TLR Kamera, aber mit deutlich schönerer Bedienung, etwas teurer, dafür auch jünger und oft in sehr gutem Zustand zu ergattern. Mit meinem Exemplar scheint es keine Probleme zu geben. Die Linsen sind klar, der Sucher ist zum größten Teil sauber und auch scharf stellen und Filmtransport funktionieren gut. Und außerdem sieht sie auch noch sehr, sehr gut aus.

Yashica Mat 124G

Ab an die See

Mit der Yashica und zwei neuen Filmen im Gepäck bin ich dann einen Tag an die Nordsee gefahren, auf die Halbinsel Eiderstedt. Gegen Mittag war es noch etwas bewölkt, aber besonders zum Abend hin, sollte es auflockern und ich habe auf schön, goldene Sonnenuntergangsfotos gehofft. Denn eigentlich war ich mir sicher, einen Farbfilm eingepackt zu haben. Vor Ort habe ich dann leider bemerkt, dass es doch zwei Schwarzweißfilme waren, die ich im Gepäck hatte.

Halb so wild. Die Sonne ist dann eh nicht mehr herausgekommen und der die Graustufen passten dann doch deutlich besser zum ebenfalls grauen Wetter. Mein erster Stopp an diesem Tag war der Leuchtturm Westerheversand.

Leuchtturm Westerheversand Filmfotografie
Wattenmeer bei Westerhever

Ich war anfangs noch etwas zögerlich, was die Motive anging. Lieber erstmal auf Nummer sicher gehen und Motive wählen, bei denen man wenig falsch machen kann, was den Fokus angeht. Doch im späteren Verlauf wollte ich dann wissen, was das f3.5 Objektiv diese Mittelformatkamera so kann. Denn die Blende klingt erstmal nicht besonders groß, was aber an dem großen Format liegt. Würde man es auf gängiges Vollformat herunterrechnen lägen wir wohl irgendwo zwischen Blende f1.8 bis f2. Dementsprechend kann man auch mit dieser alten Kamera eine gute Freistellung bekommen. Und das, obwohl der Mindestabstand zum Motiv ein ganzer Meter ist.

Tolles Bokeh mit Yashica Mat 124G
Blende f3.5 mit Yashica Mat 124G

Zum Schluss habe ich dann nochmal was ganz gewagtes probiert. Denn in einer Pfütze auf dem Stockenstieg spiegelte sich der Leuchtturm Westerheversand wirklich schön. Ob das wirklich in einem Schwarzweißfoto rüberkommt, wusste ich aber nicht. Zum Glück habe ich mich getraut, eines der nur 12 Fotos auf dem Film für dieses Experiment zu opfern. Denn das fertige Foto gefällt mir fast am besten aus der ganzen Serie.

Leuchtturm Westerheversand Spiegelung Pfütze

Am Leuchtturm habe ich den ersten Film dann auch schon voll geknipst. Das war ein Illford Film mit Iso 400. Daher gibt es hier auch ein leichtes Rauschen in den Fotos. Für die nächste Location hatte ich dann den Film mit Iso 125 eingelegt, da ich ja dachte, die Sonne kommt noch raus.

Ab zum Strand nach Sankt Peter-Ording

Ich brauchte nur ca. 30 Minuten, um an den Strand nach Sankt Peter-Ording zu kommen. Diese 30 Minuten haben aber gereicht, damit auch der letzte Blitzer blauer Himmel komplett hinter grauen Wolken verschwindet. Für die nächsten Fotos hieß das dann auf jeden Fall zwei Dinge: Stativ und Kabelauslöser. Denn bei den Belichtungszeiten, die ich nun brauchte, wäre es ohne die beiden Sachen sehr schnell zu Verwacklungen gekommen.

Yashica Mat 124G auf Stativ mit Kabelauslöser

Im Endeffekt bin ich ganz froh, dass die Sonne sich hinter die Wolken verkrümelt hat. Die bedeckte Stimmung und der Schwarzweißfilm haben ziemlich gut zusammengearbeitet. Die Fotos sind wirklich toll geworden. Viele der Fotos sind genauso geworden, wie ich es mir vorgestellt habe, als ich durch den Sucher geschaut habe. Und ich kann es nur immer wieder betonen. Durch den Sucher einer solchen TLR Kamera zu schauen ist einfach ein richtig tolles Gefühl. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sich über keinen Bildschirm ein Foto so schön komponieren lässt, wie über die Mattscheibe einer TLR.

Hier nun aber meine Lieblingsfotos vom Strand in Sankt Peter-Ording.

Strand Sankt Peter-Ording schwarzweiß Filmfotografie
Analoge Fotografie Schwarzweiß Nordsee
Bewölkter Tag am Strand Analogfotografie
Filmfotografie in Sankt Peter-Ording
Yashica Mat 124G schwarzweißfotografie

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