Anamorphotische Objektive haben für mich schon immer diesen ganz besonderen Zauber. Sie erzeugen eine Bildwirkung, die sofort an große Kinoproduktionen erinnert und sich deutlich von klassischen Fotoobjektiven abhebt. Die breiten Frames, die ovalen Spitzlichter, die charakteristischen Flares und dieser gewisse „cinematic vibe“ – all das sorgt dafür, dass man bei einem Anamorphoten sofort merkt: Das hier fühlt sich nach Film an und nicht nach Video.
Nur war das für mich als jemand, der oft alleine filmt, bisher kaum praktikabel. Manuelle Fokussysteme sind schön und gut, aber sie bremsen einen als Solo-Creator extrem aus. Und genau an dieser Stelle verändert das Sirui 20mm T1.8 AF mit 1,3x Squeeze das Spiel. Das Objektiv bringt zum ersten Mal Autofokus in eine Kategorie, die bisher fast ausschließlich komplett manuell war. Genau das macht es so spannend und ist der Grund, warum ich es unbedingt ausprobieren wollte.
Verarbeitung und Funktionen
In der Hand wirkt das Sirui 20mm sofort sehr hochwertig. Das Metallgehäuse fühlt sich solide an, und die Kombination aus dunklem Anthrazit und blauen Akzenten verleiht ihm einen professionellen Cinema-Look, der sich klar von typischen Fotoobjektiven unterscheidet. Die komplette Bauweise erinnert eher an eine kompakte Cine-Prime als an ein APS-C-Objektiv.
Was ich persönlich sehr schätze: Sirui hat sich bewusst dafür entschieden, die klassischen Cinema-Elemente trotz Autofokus beizubehalten. Die Zahnkranzringe für Fokus und Blende sind nicht nur optisch stimmig, sondern im Zweifel auch praktisch, wenn man wirklich mit Follow-Focus arbeiten möchte. Gleichzeitig gibt es moderne Bedienelemente wie den AF/MF-Schalter, einen Schalter für de-clicked aperture und eine frei belegbare AFL-Taste.

Mit 480 Gramm ist das Objektiv nicht ultraleicht, aber angenehm ausbalanciert. Auf meiner Fujifilm X-T4 wirkte es weder frontlastig noch unhandlich. Ein Detail, das mir positiv aufgefallen ist: Die Naheinstellgrenze liegt bei nur 40 Zentimetern, was für ein Anamorphot wirklich gut ist. Viele andere Modelle beginnen erst deutlich später, und diese Nähe ermöglicht Aufnahmen, die man von einem 20mm-APS-C-Anamorphoten so nicht unbedingt erwarten würde.
Bildqualität
Bei der Bildqualität merkt man, dass Sirui einen Look schaffen wollte, der bewusst cineastisch wirkt und nicht klinisch scharf ist. Die Schärfe ist gut, aber nie übertrieben. Genau das finde ich beim Filmen sogar angenehm, weil es dem Bild eine gewisse Weichheit gibt, die zu diesem Stil passt. Ein gewisser Charakter ist hier einfach gewollt, und gerade bei einem 20mm-Weitwinkelobjektiv mit 1,3x Squeeze entsteht eine interessante Mischung aus breiter Perspektive und subtiler anamorphotischer Kompression.

Besonders auffällig sind – wie bei allen Sirui-Anamorphoten – die Flares. Ich nutze die neutrale Version, die ihre Farbe der jeweiligen Lichtquelle anpasst. Das sorgt für viel Abwechslung und wirkt weniger künstlich als die typischen blauen Sci-Fi-Streifen, die man aus manchen Hollywoodproduktionen kennt. Gerade in Extremsituationen kann der Effekt ziemlich stark werden, aber genau das macht ihn auch spannend.

Am Rand zeigt das Objektiv eine leichte Kissenverzeichnung, die ich aber nicht als störend empfunden habe. Sie gehört fast schon zum visuellen Repertoire eines Anamorphoten und verstärkt den charakteristischen Look. Beim Abblenden bleibt die Bildwirkung erstaunlich konstant. Das ist im Filmkontext ein echter Vorteil, weil man nicht plötzlich eine Härte oder klinische Kälte im Bild bekommt, nur weil man etwas mehr Licht braucht.

Die Freistellung ist mit T1.8 grundsätzlich vorhanden, aber durch die 20mm Brennweite (entspricht etwa 30mm am Vollformat) eher subtil. Wer den richtig cremigen Hintergrund möchte, sollte sich eher das 40mm-Modell ansehen. Trotzdem war ich überrascht, wie viel Separation man durch die Nähe von 40 Zentimetern doch erreichen kann.

Echte Erfahrungen im Einsatz
Ich habe das Objektiv in sehr unterschiedlichen Situationen ausprobiert – draußen in der Natur, in der Stadt, bei Dämmerung, nachts auf dem Hamburger Dom und natürlich bei Talking-Head-Aufnahmen, für die ich es besonders interessant finde.
Was sofort auffällt: Das 21:9-Bild, das nach dem Entzerren entsteht, wirkt direkt hochwertiger. Auf einem größeren Bildschirm sieht das Video mehr nach Kurzfilm aus als nach klassischem YouTube-Content. Mir gefällt dieser Look extrem gut, weil er sich einfach direkt aus der Masse abhebt.
Die Flares lassen sich gut steuern, sind aber durchaus kräftig. Bei Gegenlicht bekommt man Effekte, die man mit einem normalen Fotoobjektiv niemals erzeugen würde. Auch Reflexionen und doppelte Lichtpunkte wirken sehr filmisch. Für meinen Geschmack war das einer der größten Vorteile.
In der Praxis musste ich allerdings lernen, wie empfindlich anamorphotische Objektive auf Bewegung reagieren. Wenn der Horizont auch nur minimal wackelt oder die Stabilisierung eingreift, entsteht schnell ein wobbelnder Effekt, der beim Entzerren noch stärker auffällt. Ein Stativ oder Gimbal hilft enorm, wenn man ruhige Shots möchte. Bei Handheld-Aufnahmen sollte man dagegen bewusst ruhiger arbeiten als sonst.
Der Autofokus ist der Bereich mit den größten Überraschungen. Beim ersten Einsatz war er extrem langsam, was aber weniger an der Optik als an meinen Kameraeinstellungen lag. Ich hatte die Fokusverfolgung bewusst auf sehr langsam gestellt, damit meine Fuji im Video nicht pumpt. Mit diesen Einstellungen dauerte ein Fokuswechsel fünf bis sieben Sekunden – völlig unbrauchbar. Mit normalen AF-Werten lief der Autofokus deutlich besser. Er ist immer noch weit davon entfernt, ein klassisches Fotoobjektiv einzuholen, aber für Talking-Heads, Situationen mit wenig Bewegung oder ruhige Schwenks reicht er vollkommen aus. Für Action oder schnelle Richtungswechsel ist er jedoch nicht gemacht.


Alles in allem hatte ich aber richtig Spaß mit dem Objektiv. Der Look ist etwas Besonderes, das Handling gefällt mir gut, und ich bin sicher, dass Sirui mit den zukünftigen Autofokus-Anamorphoten noch schneller werden wird. Die Astra-Serie im Vollformat scheint da schon einen ordentlichen Sprung gemacht zu haben.
Fazit zum Sirui 20mm T1.8 1,33X AF
Für mich ist das Sirui 20mm T1.8 AF eines der spannendsten Objektive, die ich dieses Jahr testen konnte. Es ist nicht perfekt, aber es bringt eine völlig neue Art von Look in eine Preisklasse und Zielgruppe, die vorher fast komplett außen vor war. Gerade für Content Creator, die alleine arbeiten und trotzdem einen filmischen Stil erzeugen wollen, ist ein Autofokus-Anamorphot einfach ein enormer Fortschritt.
Die Verarbeitung ist hochwertig, der Look beeindruckend und der Preis von rund 700 bis 820 Euro für ein Objektiv mit dieser Bauweise und diesem Charakter wirklich fair. Der Autofokus ist langsam, aber nutzbar, und mit der richtigen Herangehensweise bekommt man Ergebnisse, die sich klar vom Standard unterscheiden.
Ich persönlich möchte unbedingt noch das 40mm ausprobieren, weil es für meine Art zu filmen wahrscheinlich noch besser passt. Aber auch das 20mm hat mich beeindruckt und macht Lust darauf, mehr mit anamorphotischen Optiken zu experimentieren.
Wenn du diesen breiten, cineastischen Look magst und ein bisschen bereit bist, dich auf die Besonderheiten eines Anamorphoten einzulassen, wirst du mit dem Sirui 20mm T1.8 AF eine Menge Spaß haben.
Wenn du das Objektiv ausprobieren möchtest, hier findest du die verschiedenen Mount-Varianten bei Calumet:
Fujifilm X-Mount:
https://tidd.ly/3K6iEGs
Micro Four Thirds:
https://tidd.ly/3XaWgif
Sony E-Mount:
https://tidd.ly/3LTRqU3
Nikon Z-Mount:
https://tidd.ly/4pl97KF
L-Mount:
https://tidd.ly/48haSBY
