Ich konnte einfach nicht widerstehen.
Die Autofokus-Objektive von TTArtisan haben mir bisher wirklich gut gefallen – sowohl das 35mm als auch das 56mm nutze ich gerne für spontane Foto-Sessions oder als leichtes Setup für unterwegs.
Als ich dann sah, dass das TTArtisan 23mm f1.8 AF ebenfalls zu dieser Serie gehört und im Angebot für unter 130 € zu haben war, war mein Interesse sofort geweckt. Eine kompakte Weitwinkel-Festbrennweite mit Autofokus? Klingt perfekt für Street, Alltag und Video.
Also habe ich kurzerhand zugeschlagen – in der Hoffnung, einen kleinen Geheimtipp für mein Nikon Z-System zu entdecken.
Doch leider wurde ich nicht ganz so positiv überrascht, wie erhofft.
Verarbeitung & Handling
Das Objektiv folgt dem typischen Design der TTArtisan AF-Serie:
Metallgehäuse, kompakte Bauweise, kein Blendenring, keine Funktionstasten – alles sehr reduziert. Für den Preis ist das vollkommen in Ordnung, aber man sollte wissen, worauf man sich einlässt.
Die mitgelieferte Gegenlichtblende wirkt wie ein bekanntes Bauteil aus der 35mm-Version – nichts Besonderes, aber funktional. Insgesamt fühlt sich das Objektiv solide an, ohne dabei hochwertig oder besonders robust zu wirken. Wer die Serie kennt, weiß, was ihn erwartet – wer zum ersten Mal zugreift, könnte es als minimalistisch oder „nackt“ empfinden.
Bildqualität
Kommen wir zum spannenden Teil – und gleichzeitig zum größten Kritikpunkt.
Flaring und Gegenlichtverhalten
Was TTArtisan hier abliefert, ist… speziell. Sobald eine Lichtquelle ins Spiel kommt – egal ob im Bild oder knapp daneben – bricht das Bild förmlich auseinander.
Krasse Flares, Ghosting-Effekte, massive Überstrahlungen: Ich habe so etwas selten gesehen. Und leider nicht im positiven Sinne.
Einige dieser Effekte könnten vielleicht als kreatives Stilmittel durchgehen – andere wiederum lassen sich kaum kontrollieren oder gezielt einsetzen. Vor allem in Situationen mit Streulicht ist das Objektiv extrem anfällig. Wer viel mit Sonne oder Lichtsituationen arbeitet, bei denen Reflexionen auftreten, wird hier schnell an Grenzen stoßen.
Schärfe & Kontrast
In der Bildmitte liefert das 23mm f1.8 eine ordentliche Schärfe – zumindest bei gelungener Fokussierung.
Leider ist genau das nicht immer zuverlässig. Der Autofokus sitzt oft, aber nicht immer. Mal ist das Motiv knackscharf, mal nur leicht daneben. In der Praxis fällt das selten auf, bei genauer Analyse aber schon.
In den Bildecken wird es dann deutlich weicher – und das bleibt auch beim Abblenden so. Wer hohe Randschärfe erwartet, wird hier enttäuscht.
Bokeh & Rendering
Das Bokeh ist typisch für ein günstiges Weitwinkel. Was auffällt, ist der Katzenaugen-Effekt bei punktförmigen Lichtquellen – also elliptische Unschärfekreise am Bildrand. Außerdem zeigt das Objektiv einen gewissen „Sog-Effekt“ in den Highlights. Beides ist Geschmackssache – ich persönlich finde es in einem 23mm nicht dramatisch. Arbeitet man im Nahbereich, kann man tatsächlich sehr schöne, weiche Hintergründe erzielen. Hätte ich bei 23mm gar nicht mal so erwartet.
Vignettierung
Die Randabschattung bei Offenblende ist deutlich sichtbar – verschwindet aber langsam ab Blende f/6.3 bis f/7.1.
Mich stört das kaum. Im Nahbereich hilft die Vignette sogar, den Blick aufs Motiv zu lenken. Wer weiter abgeblendet fotografiert, wird damit ebenfalls kein Problem haben.
Autofokus im Video
Und jetzt kommt der Lichtblick:
Im Videobetrieb hat mich der Autofokus wirklich überrascht. Die Fokusfahrten sind weich, präzise und laufen angenehm ruhig durch. Gerade in Kombination mit einem kleinen Gimbal oder für Vlogging könnte das Objektiv hier punkten.
Tatsächlich gefallen mir einige Videoaufnahmen mit dem 23mm besser als die Fotos.
Fazit zum TTArtisan 23mm f1.8 AF
Erwartungen vs. Realität – das 23mm f1.8 ist nicht das Highlight der Serie.
Das TTArtisan 23mm f1.8 AF liefert in einigen Bereichen solide Ergebnisse, zeigt aber auch deutliche Schwächen – vor allem bei Gegenlicht, im Randbereich und bei der Zuverlässigkeit des Autofokus.
Aber:
Trotz aller Kritik habe ich es behalten. Warum?
Weil es klein, leicht und unkompliziert ist. Perfekt für Schnappschüsse, Spaziergänge oder als Backup-Objektiv, wenn man die teure Ausrüstung mal zu Hause lassen will. Außerdem kann man mit dem kreativen Flare im Videobereich durchaus experimentieren.
Für rund 169€ darf man kein perfektes Objektiv erwarten. Aber vielleicht genau das: Ein kleines Tool mit Charakter, das in manchen Situationen besser ist als gar kein Objektiv dabei zu haben.